
Nanodispers
Nanodispers bezeichnet einen Zustand, bei dem Feststoffpartikel überwiegend im Nanometerbereich vorliegen. Die meisten technischen Schüttgüter sind mikrodispers. Das bedeutet, dass ihre Partikelgrößen typischerweise im Bereich von einigen Mikrometern liegen. Ein Mikrometer entspricht einem Millionstel Meter und wird als 10⁻⁶ m geschrieben. Zum Vergleich besitzt ein menschliches Kopfhaar einen mittleren Durchmesser von etwa 60 Mikrometern.
Pulver mit mikrometergroßen Partikeln sind in der Regel gut handhabbar. Sie lassen sich fördern, mischen, abfüllen, schütten und meist auch zuverlässig dosieren. Die Gravitation ist im Verhältnis zu den zwischen den Partikeln wirkenden Kräften dominant.
Verringert sich die Partikelgröße um etwa den Faktor 1000, so liegt ein nanodisperses Pulver vor. Die charakteristischen Partikelabmessungen befinden sich dann im Bereich unterhalb von 100 Nanometern. In diesem Größenbereich ändern sich die physikalischen Eigenschaften grundlegend. Die Fließfähigkeit nimmt stark ab. Nanodisperse Pulver sind schlecht schüttfähig und schwer dosierbar. Sie wirken häufig klebrig, selbst wenn sie trocken sind.
Ursache hierfür ist das starke Anwachsen interpartikulärer Kräfte. Van-der-Waals-Kräfte, elektrostatische Wechselwirkungen und kapillare Effekte dominieren gegenüber der Gewichtskraft der einzelnen Partikel. Für kugelförmige Partikel skaliert die Gewichtskraft FG proportional zum Partikeldurchmesser d hoch drei, während die anziehenden Oberflächenkräfte FA näherungsweise proportional zum Partikeldurchmesser sind. Dies lässt sich vereinfacht beschreiben:
FG ∝ d³ und FA ∝ d
Für Mischprozesse bedeutet dies, dass mechanische Energie primär zum Überwinden von Haft- und Agglomerationskräften aufgebracht werden muss. Die für einen Agglomeratabbau erforderliche Scher- oder Stoßenergie steigt mit abnehmender Partikelgröße deutlich an. Klassische gravitationsdominierte Mischmechanismen verlieren an Wirksamkeit. Stattdessen bestimmen Scherfelder, lokale Druckspitzen und Wandkontakte den Mischprozess.
Nanopartikel haften stark aneinander und an Apparateoberflächen. Sie neigen ausgeprägt zur Agglomeration. Die Agglomeratbildung ist energetisch begünstigt, da durch Kontakt die freie Oberflächenenergie reduziert wird. Die treibende Kraft lässt sich über die Oberflächenenergie beschreiben:
ΔE ≈ γ·ΔA
γ ist die spezifische Oberflächenenergie
ΔA ist die verringerte Oberfläche beim Agglomerieren.
Für Entstaubungs- und Abscheideprozesse ist die geringe sedimentierende Wirkung der Gravitation entscheidend. Die Sinkgeschwindigkeit einzelner Partikel folgt näherungsweise dem Stokes’schen Gesetz und ist proportional zum Quadrat des Partikeldurchmessers. Bei Nanopartikeln ist die Sedimentationsgeschwindigkeit extrem gering. Thermische Bewegung und Luftströmungen dominieren. Abscheidemechanismen basieren daher weniger auf Gravitation als auf Diffusion, Elektrostatik oder Filtration.
Nanodisperse Partikel können sehr lange in der Luft suspendiert bleiben. Bereits kleinste Luftbewegungen führen zur erneuten Aufwirbelung und zur Staubbildung. Dies stellt hohe Anforderungen an Containment, Entlüftung und Entstaubungssysteme. Viele nanodisperse Stäube sind lungengängig. Sie können bis in die Alveolen vordringen und gelten daher als potenziell gesundheitsschädlich. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an den Arbeits- und Explosionsschutz.
Liegt ein Feststoff in nanodisperser Form vor, so kann sich sein physikalisches und mechanisches Verhalten deutlich von dem des makroskopischen Materials unterscheiden. Keramische Werkstoffe aus Nanopartikeln können beispielsweise eine erhöhte Zähigkeit oder scheinbar duktiles Verhalten zeigen, das bei grobkörnigen Keramiken nicht beobachtet wird. Nanodisperse Güter ermöglichen die Entwicklung von Hochleistungswerkstoffen für die Elektrotechnik, die Chemie, die Luft- und Raumfahrt sowie für die Ingenieurkeramik. Funktionale Eigenschaften lassen sich gezielt über Partikelgröße, Grenzflächen und Gefügestruktur einstellen.
Nanodisperse Pulver besitzen eine extrem große spezifische Oberfläche As. Für kugelförmige Partikel ist sie näherungsweise umgekehrt proportional zum Partikeldurchmesser d und zur Dichte des Feststoffs ρ.
As ≈ 6 / (ρ·d)
Die Formel ist eine Näherung, die unter folgenden Annahmen gilt: kugelförmige Partikel, glatte, nicht poröse Oberflächen, enge Partikelgrößenverteilung, keine Agglomerate, sondern Primärpartikel. Die große Oberfläche führt zu hoher Reaktivität, erhöhter Brennbarkeit und im Extremfall zu Staubexplosionsfähigkeit. Die Dispergierung nanodisperser Pulver in Flüssigkeiten ist besonders anspruchsvoll. Aufgrund der starken interpartikulären Anziehungskräfte liegen Nanopartikel meist als Agglomerate vor. Für eine agglomeratfreie Dispersion müssen diese Kräfte vollständig überwunden werden. Die erforderliche Dispergierenergie ist hoch und steigt mit zunehmender spezifischer Oberfläche. Zusätzlich neigen frisch getrennte Nanopartikel in Flüssigkeiten sofort zur Reagglomeration, sofern keine stabilisierenden Mechanismen wie elektrostatische Abstoßung oder sterische Hinderung wirken. Eine dauerhaft stabile, agglomeratfreie Dispersion erfordert daher meist intensive mechanische Energieeinträge, geeignete Dispergierhilfsmittel oder gezielte Oberflächenmodifikation der Partikel.